"Erwebstätige Mütter brauchen noch mehr Rückhalt"

5 Fragen an Professorin Irene Gerlach

Prof. Dr. Irene Gerlach | Foto: Nina Weymann-Schulz

1.    Frau Professorin Gerlach, Mütter gelten als wahre Alleskönnerinnen! Wie gut gelingt es ihnen heute, Familienarbeit mit dem Erwerbsleben zu vereinbaren?

Ich würde nicht behaupten, dass Mütter Alleskönnerinnen sind, aber sie nehmen die Herausforderungen und Chancen an, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich bringen. Vor allem die Mütter tragen die Mehrbelastung, die sich aus ihrem doppelten Lebensentwurf ergibt – parallel erwerbstätig und gleichzeitig die Hauptfürsorge-Tragende für den Nachwuchs zu sein.
Nach wie vor schränken vor allem jüngere Mütter in Westdeutschland ihre Erwerbstätigkeit deutlich ein. Nur 31 % der Mütter mit einem jüngsten Kind unter drei Jahren waren 2013 erwerbstätig. Mütter von Kindergartenkindern (jüngstes Kind drei bis fünf Jahre) waren schon zu 63 % wieder erwerbstätig und wenn das jüngste Kind die Grundschule besuchte, stieg der Anteil auf 68 %. Bei 15-bis 17-jährigen Kindern schließlich betrug er 74 %.
Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass in vielen Fällen nur ein Einkommen für den Lebensunterhalt von Familien schlecht reicht. Im Durchschnitt hatten Familienhaushalte (Paare und Alleinerziehende) im Jahr 2013 einen Betrag von 3.671 € (Einkommen und Einnahmen brutto) zur Verfügung. Betrachtet man nun das Verhältnis der Einkommen von Haupternährer (meist Mann) und Ehefrau/ -partnerin, dann zeigt sich die Abhängigkeit von der Zahl der betreuten Kinder immer noch deutlich: Bei einem Kind macht der „Zuverdienst“ 36,3 % des Familieneinkommens aus, bei zweien 31,1 % und bei drei und mehr Kindern 21,4 %.

2.    Wie zufrieden sind erwerbstätige Mütter mit ihrer Situation?

Da es häufig die Frauen sind, die ihre Erwerbsarbeitszeit zugunsten von Familienarbeit reduziert haben, verwundert es nicht, dass sie eine höhere Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeben als Männer. Sie vergeben sogar doppelt so häufig wie Männer die höchste Punktzahl auf der Zufriedenheitsskala. Das hat eine Untersuchung gezeigt, die wir im Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchgeführt haben.
Damit erwerbstätige Mütter die Möglichkeiten im Erwerbsleben voll nutzen können, brauchen sie aber noch mehr Rückhalt durch familienbewusste Rahmenbedingungen.

3.    Teilzeit ist in Deutschland meist Frauen- bzw. Müttersache: Handelt es sich um einen Trend?

Das war bisher so. Ob es sich ändern wird und in welchem Ausmaß es sich ändern wird, hängt stark von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren ab.
Zum einen hat die Einführung von Elterngeld und Elternzeit mit den Partnermonaten ab 2007 einen wichtigen Prozess in Gang gesetzt: Väter beteiligen sich deutlich stärker als früher, sie nahmen im 1. Quartal 2015 durchschnittlich 3,1 Elternzeitmonate und ihr Anteil an den Anträgen beträgt 32 %. Ein Jahr nach der Einführung waren es 2008 nur 20,8 %. Die Quote schwankt stark nach Bundesländern: Den niedrigsten Wert gibt es im Saarland mit 20,1 %, den höchsten in Sachsen mit 41,0 %. Diese immer noch bestehenden West-Ostunterschiede sprechen dafür, dass unterschiedliche Wertbindungen immer noch eine große Rolle spielen.
Wichtig ist aber auch: Frauen verdienen im Durchschnitt deutlich weniger als ihre Männer, das heißt die Familien können sich egalitäre Arbeitsteilungsmuster oft nicht leisten.
Die dritte Abhängigkeit leitet sich aus dem Bildungshintergrund von Frauen und Männern ab: Je höher der ist, umso wahrscheinlicher ist eine egalitäre Aufteilung zwischen Familie und Beruf zwischen Müttern und Vätern. Ich gehe davon aus, dass wir weitere Verhaltensänderungen in die bisher eingeschlagene Richtung erwarten können. Erste Untersuchungen zu den Folgen der Väterbeteiligung zeigen durchaus, dass vor allem Väter, die länger in Elternzeit waren als der Durchschnitt, ihr Vatersein auch hinterher aktiver leben.

4.    Wo liegt die Krux dieser Situation?

Für die Frauen in der gegenwärtigen und zukünftigen Abhängigkeit vom Mann bzw. dem Partner und in den Folgewirkungen, die eine Entscheidung für eine Teilzeitstelle hat. Das ist insbesondere dann folgenschwer, wenn die Ehe nicht lebenslang hält: Der Anteil der Scheidungen lag zwischen 2003 und 2013 zwischen 39,1 % und 32,2 %. Nach einer Scheidung bzw. Trennung ergibt sich in vielen Fällen eine erhöhte Armutswahrscheinlichkeit. Das zeigen nicht zuletzt die durchschnittlichen Einkommen nach Haushaltsstruktur bei Haushalten mit Kindern bis 14 Jahren. Während dies bei Paaren mit zwei Kindern bei 2.221 € liegt, beträgt es bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern 809 €. Dabei darf aber auch die zu erwartende Einkommenslage im Alter (auch bei weiter bestehenden Ehen) nicht vergessen werden. Bekanntlich sieht das Gesetz eine Rentenniveaureduzierung auf 43 % des durchschnittlichen Einkommens vor, diese deutlich geringeren Renten werden mit dem Jahr 2005 beginnend bis zum Jahr 2040 vollständig steuerpflichtig sein. Jemand, der 2016 in Rente geht muss schon 72 % seiner Rente versteuern, 10 Jahre später werden es 86 % sein und in 100 % im Jahre 2040.

5.    Wie können Mütter in Hinsicht auf Sorge- und Erwerbsarbeit entlastet werden?

Neben den politischen Rahmenbedingungen und der Arbeitswelt muss auch zwischen den Müttern und Vätern ausgehandelt werden, wie Vereinbarkeit gestaltet werden soll. Das ist oft sicher einer Herausforderung und braucht –als doch recht fundamentale Verhaltensänderung – sicher auch Zeit. Auf der anderen Seite haben sich die Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit in nur etwa zehn Jahren deutlich verbessert. Nicht zuletzt konnte dies dank durchsetzungsstarken Müttern und aufgeschlossenen, engagierten Vätern geschehen.

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