FFP-Pressemitteilung 1 / 2022
2022: Was bringt die Familienpolitik?
3 Fragen an Professorin Irene Gerlach
Die bundesdeutsche Regierungsbildung ist absolviert, 2022 kann kommen! Im FFP-Fokus: Schafft die neue Koalition die richtigen Grundlagen für eine zukunftsfähige Familienpolitik? Dazu 3 Fragen an Professorin Irene Gerlach.
Frau Gerlach, was sind für Sie die guten familienpolitischen Ankündigungen des Koalitionsvertrages? Werden diese Vorhaben den Herausforderungen, vor denen Familien heute stehen, gerecht?
"Das Kapitel zur Familienpolitik im Koalitionsvertrag trägt den Titel 'Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang'. Das deutet auf eine systematische Verbindung von Familien- und Bildungspolitik hin, die diese seit der Jahrtausendwende zunehmend gekennzeichnet hat und die ausdrücklich zu begrüßen ist. Gute Bildung von Anfang an, Unterstützung bei Übergängen im Schulsystem und von diesem in das Erwerbssystem sowie die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten den besten Schutz vor Kinder- und Familienarmut.
Die Ankündigung, die Partnermonate beim Basis-Elterngeld um einen Monat zu erweitern, bringt die Familien ein Stück weiter auf dem Weg zu egalitäreren Arbeitsteilungsmustern. Die versprochene Modernisierung des Elterngeldanspruchs für Selbstständige ist mit Rückblick auf den bisherigen Bürokratiedschungel, den diese bei der Beantragung vor sich hatten, ausdrücklich zu begrüßen ebenso wie die Digitalisierung und vereinfachte Beantragung von Familienleistungen. Allerdings geht aus dem Koalitionsvertrag nicht hervor, was unter ebendieser 'Modernisierung' zu verstehen sei und wie mit den erhöhten Missbrauchswahrscheinlichkeiten bei digitalisierter beziehungsweise automatisierter Beantragung umgegangen werden soll."
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen der politischen Vielgestaltigkeit im neuen Regierungsbündnis? Wie passt die Politik zur Lage der heutigen Familien?
"Das Bündnis bietet die Möglichkeit, tatsächlich alle Familien im Fokus zu haben, also zum Beispiel nicht nur diejenigen, die in Armut und ohne Erwerbstätigkeit leben, sondern auch diejenigen, die unter teilweise Kräfte zehrenden Bedingungen Familienarbeit und Erwerbstätigkeit miteinander verbinden, die Familien der Mittelschicht. Diese Familiengruppe ist schon in den letzten Jahren ein wenig aus dem Blickfeld geraten. Im Koalitionsvertrag bekommt sie leider auch nicht die notwendige Beachtung.
Dennoch: In der konsequenten Fortsetzung der hohen Betonung von Bildungsinvestitionen, des Betreuungsausbaus und der Unterstützung egalitärer Arbeitsteilungsmuster trifft die Politik auf die Bedürfnisse vieler Familien."
Welche politischen Akzente fehlen Ihnen im Koalitionsvertrag? Wo würden Sie empfehlen, nachzubessern?
"Die skizzierte Familienpolitik ist in vielen Bereichen eine konsequente Fortführung der Familienpolitik der letzten ca. 20 Jahre, was eindeutig zu begrüßen ist. Neue Impulse werden im Familienrecht gesetzt – etwa im Hinblick auf Pflege-, Trennungs-, gleichgeschlechtliche Elternschaft sowie soziale Elternschaft. Hier wird die Frage der Umsetzung in der sozialen Realität eine spannende sein.
An vielen Stellen sind die Formulierungen des Vertrages noch vage, da darf man bei der Umsetzung gespannt sein. Darüber hinaus fände ich eine systematische Verbindung von Familien,- Sozial- und Arbeitsmarktpolitik notwendig, um Familienarmut wirklich nachhaltig zu bekämpfen."