FFP-Pressemitteilung 13 / 2020

Unterstützung für pflegende Angehörige: Rhein-Sieg-Kreis mit Vorreiter-Rolle

04. Nov 2020

Zu den besonders großen Herausforderungen Deutschlands gehört die würdige Daseinsvorsorge für alte und pflegebedürftige Menschen. Die Corona-Pandemie verschärft die Missstände, die sich seit längerem abzeichnen. Der Rhein-Sieg-Kreis hat sich auf den Weg gemacht: Das FFP erarbeitete im Auftrag des Kreises ein Konzept für eine zukunftssichere, wohnortnahe Senioren- und Pflegeberatung.

„Vor dem Hintergrund der demografischen Alterung gehen Prognosen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von 2017 etwa 3,4 Millionen bis 2030 auf über 4 Millionen und bis 2050 auf mehr als 5,3 Millionen wachsen wird“, beschreibt Professorin Irene Gerlach, Leiterin des Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik die Ausgangssituation in der Alten- und Angehörigenpflege. „Derzeit sind in Deutschland die pflegenden Angehörigen die tragende Säule der pflegerischen Versorgung“, hält die Politikwissenschaftlerin fest. Denn laut Statistischem Bundesamt werden mehr als 75 Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege versorgt, davon 68 Prozent allein durch die Angehörigen und 32 Prozent mit Unterstützung eines Pflegedienstes.

Ein Kreis auf dem Weg

Die Kommunen sind neben den Pflegekassen die zentralen Akteure für eine bürger- und wohnortnahe Beratung von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen. Seit 2014 ist dies beispielsweise landesrechtlich im Alten- und Pflegegesetz NRW festgeschrieben.
Stephan Liermann, Sozialamtsleiter beim Rhein-Sieg-Kreis: „Unser Kreis nimmt seine Verantwortung ernst und hat das Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik damit beauftragt, ein Konzept einer qualitativ hochwertigen Senioren- und Pflegeberatung zu erstellen. Ziel ist es, eine zukunftssichere, wohnortnahe und fachkompetente Pflegeberatung bereitzustellen.“
Das Angebot solle den Einzelnen befähigen, informierte Entscheidungen zur Bewältigung individueller Pflegesituationen zu treffen, so Liermann. Ziel sei es auch, eine Unterstützung zu bieten, die einen längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ermögliche.

Wunsch und Wirklichkeit: Sicherstellung häuslicher Pflege

Auch im Rhein-Sieg-Kreis beträgt der Anteil der häuslichen Pflege beständig mehr als 75 Prozent. Dies entspricht auch dem Wunsch des Großteils der Bevölkerung in Deutschland. Laut Umfragen des Statistischen Bundesamtes wollen nur etwa 15 % im Alter in ein Pflegeheim/ eine Seniorenresidenz ziehen.
„Wir müssen derzeit von einer zunehmend sinkenden Zahl pflegender Angehöriger ausgehen. Gründe dafür sind unter anderem die höhere Erwerbstätigkeit von Frauen sowie ein späteres Renteneintrittsalter von Beschäftigten“, berichtet Projektmitarbeiterin Janina Blome.
Erschwert wird die Situation weiter dadurch, dass die Pflege von Angehörigen sowohl zu gesundheitlichen, persönlichen als auch beruflichen Risiken und Problemen führen kann, wie verschiedene aktuelle Studien belegen.
„Umso wichtiger ist es vor dem Hintergrund dieser wachsenden Aufgabe, die Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen mit Information wie Beratung zu versorgen und ihnen Entlastungs- und Unterstützungsoptionen aufzuzeigen“, betont Janina Blome.

Wichtige Erkenntnisse: Stolpersteine

Eine Herausforderung bei der Umsetzung des kommunalen Auftrages ist im Rhein-Sieg-Kreis die konkrete Arbeit in den vielen kleinen Pflegeberatungsstellen. „Jede kreisangehörige Kommune hat eine eigene Beratungsstelle“, berichtet Janina Blome. „Das sichert die Wohnortnähe. Allerdings arbeiten die Einrichtungen teilweise sehr unterschiedlich, wie unsere Befragungen von Beratenden, von Personen der Pflegelandschaft und von Betroffenen gezeigt haben.“
Die Analyse der vorhandenen Beratungsstrukturen legt dar: Es gibt teilweise massive Leistungsunterschiede zwischen den verschiedenen Beratungsstellen – sowohl quantitativ als auch qualitativ. So verfügen einige Einrichtungen über eher geringe Personalressourcen und bieten daher nur eine sehr eingeschränkte Beratung an, auch weil die Zuständigen nicht über die nötige Fachexpertise verfügen.

Schritte zur Realisierung

Das Konzept, das das FFP für den Rhein-Sieg-Kreis erstellt hat, berücksichtigt für das Ziel einer flächendeckenden und niedrigschwelligen Beratung die Eigenschaften des Rhein-Sieg-Kreises als Flächenkreis mit zum Teil ländlichen Strukturen.
Eine wichtige Empfehlung, die aus dem Abschlussbericht hervorgeht: Die Senioren- und Pflegeberatung sollte durch den Rhein-Sieg-Kreis basierend auf der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner ab 65 Jahre durch zweckgebundene Mittel finanziell unterstützt werden. Damit lässt sich die praktische Umsetzung des vorliegenden Konzeptes und eine kreisweit gleichwertige hohe Qualität sicherstellen.
Zugleich bietet es sich in den kleineren Kommunen des Kreises an, durch Kooperationen die Quantität und Qualität der Beratungstätigkeit zu erhöhen. Somit könnte eine höhere Fachkompetenz gesichert werden, ohne den entscheidenden Aspekt der Wohnortnähe zu vernachlässigen.
„Durch die Umsetzung des vorliegenden Konzeptes stellt sich der Rhein-Sieg-Kreis bei dieser wichtigen Aufgabe der lokalen Daseinsvorsorge zukunftsweisend auf und kann den ratsuchenden Bürgerinnen und Bürgern eine entscheidende Hilfestellung bieten,“ stellt Janina Blome zusammenfassend fest.

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